Da kann man nichts machen. Die da oben haben es mal wieder verbockt. Und auf mich hört sowieso keiner. Das sind typische Aussagen, die aus einer Opfer-Rolle heraus formuliert werden. Was an dieser Rolle problematisch ist, erkläre ich hier.

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Wie wir zum Opfer werden

“Boah, ich hab so schlechte Laune, weil mein Chef mich schon wieder so stresst.” Was ist problematisch an diesem Satz? Er wird aus der Opfer-Rolle heraus gesprochen. Ich habe schlechte Laune, weil: mein Chef mich stresst. Also bin ich: Opfer meines Chefs. Meine Laune ist abhängig von seinem Verhalten. Ich kann nichts dafür. Ich bin nicht verantwortlich für meine schlechte Laune. Es bin ja nicht ich, die den Stress macht, sondern mein Chef.

Diese Rolle hat etwas Verlockendes, denn ich nehme mich selbst damit aus der Verantwortung. Jemand anders ist schuld. Das heißt: Da ist jemand, dem ich Vorwürfe machen kann. Über meinen Anteil und meine Verantwortung muss ich damit nicht mehr nachdenken.

Die verlockende Opfer-Rolle

Ist dir schon mal aufgefallen, wie sehr wir dazu tendieren, in die Opfer-Rolle zu gehen?
Hier ein paar Beispiel-Sätze:
“Man müsste das alles ganz anders machen. Aber auf mich hört ja keiner.”
“Jetzt hat die Bahn schon wieder Verspätung! Das versaut mir meinen ganzen Tag!”
“Das Baby hat schon wieder so schlecht geschlafen, jetzt habe ich an nichts mehr Spaß.”
“Diese Email von vorhin, die macht mich fertig. Da hab ich jetzt gar keine Energie mehr, mich noch um irgendwas zu kümmern.”
“Weil meine Eltern mir nie genug Aufmerksamkeit geschenkt haben, kann ich heute kein interessierter, liebevoller Mensch sein.”

Auch so Aussagen wie: „Das war schon immer so und das wird sich auch nie ändern.“
Opfer zu sein heißt: Jemand oder etwas ist Schuld an meiner Situation. Ich kann da nichts tun. Ich bin ausgeliefert.

Der böse Täter

Klar ist: Wo es ein Opfer gibt, gibt es immer auch einen Täter. Jemand, der’s verbockt hat.
Gerne genommen für die Täter-Rolle sind:

    • die da oben
    • die Politik
    • die Chefetage
    • Eltern
    • Geschwister
    • Lebenspartner
    • die Kinder
    • Nachbarn
    • das Wetter
    • die Bahn
    • Kollegen
    • andere Autofahrer
    • das aktuelle Projekt
    • der Stress
    • die Gesamtsituation
    • und das Leben an sich.

    Erstaunlich viele Menschen gehen mit der Haltung durch ihr Leben: Ich kann nichts tun, mir geht es eben schlecht, weil der und der so oder so ist. Ich bin Opfer der Situation, ich bin Opfer des anderen.
    Das ist Unsinn! Und es ist so wichtig, diese Opfer-Rolle zu entlarven.

    Der unwissende Täter

    Wie gesagt, viele fühlen sich in der Opfer-Rolle erstmal wohl, weil “Ich kann nichts dafür” ja auch angenehm ist. Wenn es nicht an mir liegt, liegt es am anderen, am Täter. Dann hat er die Verantwortung für meine Gefühle. Ob ich ein zufriedener und glücklicher Mensch sein kann, entscheide nicht mehr ich. Sondern der andere.

    Wenn wir jetzt nochmal überlegen, wer die Täter in unserem Leben sind, stellen wir allerdings schnell fest: Die wissen das gar nicht. Die meisten Täter kriegen gar nicht mit, dass sie ein Opfer haben.

    Stell dir nur mal vor: Du bist Opfer deines Chefs und der ahnt nichts davon! Jetzt hat der arme Kerl die Verantwortung für dein Lebensgefühl und weiß es noch nicht mal. Gleiches Spiel bei Eltern, Partnern und der Deutschen Bahn. Die wissen nichts davon, also werden sie auch nicht kommen und sich entschuldigen.

    Das handlungsunfähige Opfer

    In diesem Szenario hängst du fest, niemand kann etwas ändern. Du nicht, weil du die Verantwortung abgegeben hast und der Täter nicht, weil er von der auf ihn übertragenen Verantwortung nichts weiß oder kein Interesse daran hat. Es gibt daher keine Möglichkeit, die negativen Gefühle aufzulösen – solange du in der Opfer-Rolle bleibst.

    Das musst du allerdings nicht. Du bist nicht dazu verdonnert, dein Leben lang – oder auch nur eine Minute davon – Opfer zu bleiben. Du kannst da raus. Rauskommen bedeutet nicht, im nächsten Schritt Täter zu werden, es den anderen heimzuzahlen. Sondern selbst wieder Verantwortung für dein Leben zu übernehmen.

    Verantwortung übernehmen

    Du kannst sagen: Was passiert ist, war schwierig, blöd und unfair. Aber was du jetzt daraus machst, liegt in deiner Verantwortung. Du bist stark. Du kannst entscheiden, was für ein Mensch du sein willst. Und du kannst den Täter aus seiner Verantwortung für dein Leben entlassen. Wie das konkret geht, dazu erzähle ich in der nächsten Folge noch mehr. Konkret werden kannst du schon jetzt.

    Am Anfang hatten wir den Satz: “Boah, ich hab so schlechte Laune, weil man Chef mich schon wieder so stresst.”
    In Zukunft kannst du sagen: “Ja, mein Chef fordert mich heute sehr. Und ich entscheide selbst, wie ich mit dieser Situation umgehe, ob ich mich stressen lasse oder nicht.”

    Übernimm Verantwortung für dein Leben, für deine Gefühle! Du kannst frei sein und selbstbestimmt – und alles, was du sonst noch sein willst.

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